José Francisco „Txetxu“ Rojo – Und San Siro wurde still


Foto: Athletic Club

Die beiden Spiele seines Lebens macht Txetxu Rojo im besten Fußballeralter von knapp 30 Jahren. In der Saison 1976/77 spielt Athletic eine vorzügliche UEFA-Cup-Saison. Nur durch die Auswärtstorregel scheitert man im Finale an Juventus Turin. Im Achtelfinale gegen AC Mailand sorgt ein Treffer kurz vor Schluss für das hauchdünne Weiterkommen der Mannen aus Bilbao, aber auch die herausragende Performance von Rojo sowie der Pfiff eines bekannten deutschen Schiedsrichters.

Txetxu Rojo ist ein Spieler, der polarisiert. Seine Kritiker lasten dem Linksaußen, der auch häufig in der Mittelfeldzentrale eingesetzt wird, die starke Abhängigkeit vom linken Fuß an. „Es ist bekannt, dass Rojo ein ausgemachter Linksfuß war, und zwar einer von jenen, die Körperhaltungen einnehmen, die geradezu komisch erscheinen, wenn sie mit rechts schießen“, schreibt Athletic-Chronist Eduardo Rodrigálvarez. Rojos Bewunderer hingegen rühmen seinen linken Fuß, mit dem er ein ums andere Mal im Dribbling in den gegnerischen Strafraum eindringt. Seine Flanken sind punktgenau – wie ein Scharfschütze ziele er auf den Kopf der Mittelstürmer, heißt es. Allerdings kümmert er sich zu wenig um die Defensivarbeit, monieren die Kritiker. Sein zuweilen aufbrausendes Temperament bringt ihm eine stattliche Anzahl gelber Karten ein. Mit diesem Charakterzug gelingt es ihm aber auch immer wieder, seine Kameraden und das Publikum mitzureißen. Das erst weit nach seinem Karriereende 1982 in Mode gekommene Attribut „Aggressive Leader“ trifft die Essenz seines Spiels und seines Wesens. Vom Publikum in San Mamés wird er kritischer beäugt als seine Kameraden. Für Rojo jedoch ist das noch mehr Ansporn, jede Unmutsäußerung versteht er als Aufforderung, es beim nächsten Mal besser zu machen. Und so erkennen viele den Wert Txetxu Rojos erst dann, als er nicht mehr für Athletic aufläuft.

Dabei stellt er in seinen 541 Spielen für den Klub mehr als einmal unter Beweis, wie wertvoll er für sein Team ist. So auch im UEFA-Pokal-Achtelfinale gegen den AC Mailand. Das Hinspiel hatte Athletic daheim aufgrund einer überragenden Mannschaftsleistung mit einem klaren 4:1 für sich entschieden, doch das Rückspiel in Mailand wird zur unerwarteten Zitterpartie. Die Basken kassieren in der zweiten Halbzeit drei Treffer und liegen bis drei Minuten vor Schluss mit 0:3 zurück. Aufgrund des Auswärtstors von Milan hätte dies das Aus bedeutet. Als die Rossoneri kurz vor Spielende den Ball nur noch in den eigenen Reihen zirkulieren lassen, um Zeit zu gewinnen, tritt Leader Txetxu Rojo auf den Plan. Als einziger läuft er die gegnerischen Verteidiger an, provoziert einen Fehlpass und dringt nach dem Ballgewinn über links in den Strafraum ein. Dort sieht er sich vier Milan-Verteidigern gegenüber, zieht jedoch konsequent und mit großem Tempo nach innen, wo er ungeschickt von Giuseppe Sabadini gestoppt wird. Schiedsrichter Walter Eschweiler zeigt ohne zu zögern auf den Punkt. Den Strafstoß verwandelt Iñaki Madariaga zum Treffer, der das Weiterkommen besiegelt. Txetxu Rojo, der durch sein Temperament im Laufe seiner Karriere Ursache so vieler „Brandherde“ war, sorgt durch sein beherztes Eingreifen in letzter Minute dafür, dass das Feuer von San Siro innerhalb von Sekunden erlischt. Für einen anderen Brand ist er dann allerdings doch noch (indirekt) verantwortlich. Wütende Tifosi zünden nach dem Spiel das Auto des bemitleidenswerten Giuseppe Sabadini an.

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